Egon Krenz über die geopolitische Lage und die neue deutsche "Kriegstüchtigkeit"
1 Sep. 2024 06:30 Uhr
Im Interview erklärt der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz, welche Ziele die USA nach der deutschen Einheit verfolgten und wie sich die Politik von Olaf Scholz von der Politik früherer westdeutscher Kanzler unterscheidet. Krenz appelliert: Deutschland muss friedensfähig werden!
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Zitate
Egon Krenz: Ich habe es zum Teil selbst erlebt: Als Gorbatschow bei seinem Treffen mit Bush dem Älteren Anfang Dezember 1989 auf Malta einseitig den Kalten Krieg für beendet erklärte, erhoben sich die USA zum Sieger dieses Krieges. Das war zweifelsfrei eine Demütigung der Sowjetunion, auf deren Initiative nicht nur die Europäische Sicherheitskonferenz (KSZE) 1975 in Helsinki zustande gekommen war, sondern auch alle wesentlichen Abkommen über Abrüstung mit den USA in den Siebziger- und Achtzigerjahren. 1989 ging es den USA keineswegs nur um die deutsche Einheit. Sie war lediglich eine Möglichkeit, um die Streitkräfte der UdSSR aus dem Zentrum Europas zu drängen. Der Warschauer Vertrag wurde aufgelöst. Die NATO blieb.
Egon Krenz: Aus dem Papier geht hervor, Helmut Schmidt hat immer eine Verhandlungslösung bevorzugt, obwohl er den NATO-Doppelbeschluss maßgeblich initiiert hatte, wofür ihn Moskau zu Recht kritisierte. Aber während die USA die UdSSR schon damals allseitig boykottierten, suchte Schmidt das Gespräch mit der sowjetischen Führung gerade deshalb und wehrte sich gegen Sanktionen, besonders beim Röhrengeschäft mit der Sowjetunion. Anders Scholz: Anstatt eigene Verhandlungsvorschläge einzubringen, brachte er aus den USA bereits beschlossene Pläne zur Stationierung neuer amerikanischer Raketen mit, die bis in die Weiten Russlands hineinreichen können. Eine Basta-Entscheidung. Das halte ich für verantwortungslos und ein Spiel mit dem Feuer.
Egon Krenz: Natürlich nicht. Deutschland muss friedensfähig werden. Die Kriegsrhetorik in unserem Lande macht nicht nur mir Angst. Im vergangenen Jahr hat SPD-Vorsitzender Klingbeil in einer Grundsatzrede gefordert: "Nach 80 Jahren Zurückhaltung"habe Deutschland eine neue Rolle, sie bestehe darin, eine militärische "Führungsmacht" zu sein. Wenn ich 80 Jahre zurückrechne, stoße ich nicht auf deutsche Zurückhaltung, sondern auf deutsche Verbrechen, auf die größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkrieges im Kursker Bogen. 350 Wehrmachtspanzer der Marke Marder sollen an den Schlachten gegen die Rote Armee beteiligt gewesen sein.
Quelle: RT_DE