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HS Weiß - Claus Osche

in Artikel 04.02.2013 17:48
von franzpeter | 17.498 Beiträge

Der HS weiße Triangel die Geschichte eines Klassikers
(Eine leicht gekürzte Fassung des von Claus Osche in den Guppybriefen und im Guppymagazin veröffentlichten Artikels.)



. Es ist verdammt schwierig gewesen, Dokumente zu finden, die etwas Information liefern. Somit bleibt auch immer ein bisschen Spekulation dabei! Gewissermaßen ist meine Veröffentlichung im Jahr 2008 auch eine Gratulation zu einem „runden Jubiläum“, denn es war das Jahr 1968, als der Fisch wahrscheinlich das „erste Mal“ dokumentiert auf Ausstellungen auftauchte!

Erste Hinweise in der deutschsprachigen Literatur

Leider liegt mir zu der 15. Internationalen Guppy Schau im Berliner Aquarium von der DGG e.V. (Deutsche Guppy Gesellschaft – Vorgänger der DGF e.V.) kein Ausstellungsbericht vor, sondern nur eine Ergebnisliste.

In dieser Liste findet sich ein Hinweis auf einen Satz schwarzer Triangel mit einfarbig hellen Flossen von Gerhard Gellrich (Frankfurt/Main), der in der Züchterwertung Platz 1 belegte. In der Publikumsbewertung erhielt der Satz den 2. Platz. Die Ergebnisliste selber enthielt keine Punkte, sondern nur die Platzierungen. Es gab auf dieser Ausstellung nur eine Gruppe Triangel schwarz, die diese Tiere enthalten haben muss, da keine sonstigen Unterteuilungen stattfanden, die auf etwas anderes schließen lassen. Innerhalb dieser Gruppe, die 9 Sätze umfasste, belegte Gerhard Gellrich die Plätze 1 bis 4.

Das dies nun wirklich die Geburtsstunde des Triangel halbschwarz-weiß auf der Showbühne war, verrät uns der Bericht der nachfolgenden Ausstellung im Jahr 1969, denn hier findet sich folgendes Zitat von Kurt Jacobs im Ausstellungsbericht:

„Bei den bundesdeutschen Züchtern konnten die schwarz-weißen Triangel Gellrichs als außergewöhnlich publikumswirksam bezeichnet werden. Diese Sätze mit dem ¾ schwarzen Rumpf und leuchtend weißem Triangel sind wirkliche „Preußenguppys“ und gegenüber ihrer ersten Vorstellung 1968 weiter verbessert.“
Wer wissen möchte, wie dieser Original-Stamm ungefähr ausgesehen haben möge, dem sei ein Blick in das Buch von Hans Luckmann „Guppys“ (Kosmos-Verlag Stuttgart 1978), empfohlen. In diesem Klassiker der Guppyzucht findet sich auf der Seite 43 eine Abbildung eines Tieres, die Gerhard Gellrich selber gemacht hat und dem Buch beisteuerte. Zwei weitere Abbildungen von Gellrichs Tieren finden sich dann noch im Buch von Kurt Jacobs „Vom Guppy, dem Millionenfisch“ (Landbuch-Verlag Hannover 1977), auf der Seite 75.
Diese letzten beiden Abbildungen zeigen jedoch Tiere mit Fehlfarben, wovon dann eines auch nur als Triangel halbschwarz weiß bezeichnet wird. Auch diese Aufnahmen stammten von Gerhard Gellrich selber.

Gerhard Gellrich gehörte zu einer Gruppe von Züchtern aus Frankfurt/Main, die neben den Züchtern aus Berlin, dominant das Geschehen auf Ausstellungen in den 60er und 70er Jahren bestimmte. Neben ihm ist als weitere bekannte Persönlichkeit Dr. Eduard Schmidt-Focke (damals nur Schmidt) zu nennen, der durch seinen schwarzen Betta splendens und vor allen Dingen mit seinen Erfolgen in der Diskuszucht später zu Weltruhm kam. Hier kam also geballte Fach-Kompetenz zusammen. Erstmalig waren Guppys von Gerhard Gellrich auf der DGG Ausstellung im Jahr 1960 zu sehen, die auch gleich von dem damaligen Vorsitzenden der DGG, Herrn Dr. Stoerzbach, als Weltklasse bezeichnet wurden. Leider gibt es keinerlei schriftlichen Überlieferungen in Form von Fach-Artikeln von ihm. So beschränkt sich mein Wissen auf die wenigen Infos durch Ergebnislisten und Dritte.

Richtig in die Karten schauen durfte ihm offensichtlich niemand. Es gibt nur Vermutungen bzw. vage Äußerungen anderer Züchter zum Beispiel über seine Zuchtanlage. Ich kenne eigentlich nur drei Züchter, die bei ihm persönlich waren und darüber bedingt Auskunft geben konnten.
Offensichtlich unterhielt er eine kleine Anlage (gemessen an heutigen Maßstäben) an Becken (Akku-Gläser?) u. a. für Zuchtansätze daheim. Er war aber noch an einem Keller im „Römer“ in Frankfurt beteiliogt, den er sich mit anderen Aquarianern teilte, wo er weitere Becken für die Nachzuchten unterhielt. Es gab auch Gerüchte, dass er verschiedene Aquarien in Gaststätten/Restaurants betreute, die er zur Aufzucht seiner Tiere benutzte. Hermann Magoschitz (Leinburg) dürfte der letzte Züchter gewesen sein, der ihn noch mal kurz vor seinem Ableben Ende der 90er Jahre lebend kennen lernen durfte. Das Treffen, das eigentlich zur Klärung dieses und anderer Stämme beitragen sollte, entwickelte sich jedoch anders und brachte weniger fachliche als persönliche Dinge an den Tag. Guppys schwammen zu dem Zeitpunkt nur noch wenige bei ihm, die vermutlich auch nicht mehr den „Glanz“ von damals besaßen. So bleiben uns nur Vermutungen, wie der Stamm entstanden sin könnte, bzw. welche ander Stämme die Ausgangsbasis gewesen sein könnten.

Noch mehr Frankfurter Geschichte

Um zu verstehen, was möglicherweise die Ausgangsbasis bildete, muss man wissen, was zu dieser Zeit gezüchtet wurde. Obwohl es durch alte Guppybriefe der DGG e.V. einiges an schriftlichem Material gibt, so sieht es mit Bildmaterial weit schlechter aus. Ironischerweise bin ich über mehr erwähnenswertes Bildmaterial in amerikanischer Literatur gestoßen als bei uns. Besonders interessant ist daran, dass es sich um Bilder von Dr. Eduard Scvhmidt-Focke und einen Herrn Hansen (Berliner Aquarium?) handelt, welche in den USA in einigen Büchern auftauchen. Besonders erwähnenswert erscheint mir dazu das Buch „Fancy Guppie … for the advanced Hobbyist“ von Dr. C.W. Emmens und Herbert R. Axelrod. Dieses bei TFW, New Jersey, erschienene Buch von 1967 bringt Bilder einiger Triangel, wie sie zu der Zeit in Deutschland aktuell gewesen sind. So finden sich hier Abbildungen sogenannter Leopard-Guppys (gelbe Beflossung mit schwarzen Punkten), pastell-grüne Truiangel mit wenig Muster, als auch verschiedene bunte Triangel mit ziemlich viel Pastell-Farben in den Flossen. Alle diese Varianten scheinen sehr stark im Frankfurter Raum gewzüchtet worden zu sein. Dazu kam der Umstand, dass Dr. Schmidt-Focke auch einer der ersten Züchter war, der das Halbschwarz-Merkmal entdeckte. Es handelt sich hierbei um eine Mutation aus seinem Leopard-Stamm., den er von dem Züchter Philips (London/GB) erhalten hatte. Somit waren die ersten halbschwarzen Guppys halbschwarze mit Leopard-Zeichnung. Ein Umstand, der sicherlich auch eine Rolle gespielt haben dürfte, nicht nur für die Entwicklung der HS Weißen, sondern auch in der Geburtsstunde der halbschwarz-gelben Triangel (mit einfarbiger Flosse).

Es darf spekuliert werden!

Ein bemerkenswerter und interessanter Fisch findet sich dazu in dem oben genannten Buch auf der Seite 9. Es handelt sich um ein halbschwarz-buntes Exemplar (Foto von Dr. Schmidt-Focke), welches bereits sehr viele Weiß-Anteile erkennen ließ. Wahrscheinlich wäre es heute ohne weiteres gar nicht mehr möglich, Gellrichs Stamm von damals zu rekonstruieren. Warum? Schauen wir uns die Farben an, die damals vorherrschten und die heute die Ausstellungen dominieren (logischerweise müssen wir dazu mal die HS-Gruppe ausklammern), fällt auf, dass die Fische heute wesentlich kräftiger gefärbt sind und man auf einfarbige Tiere mehr Wert legt.

Auch eine gewisse Dominanz der Farbe Rot im Vergleich zu früher lässt sich nicht bestreiten. Ich glaube, dass der Grundstein der weißen Farbe mit Sicherheit in damaligen zarten Farben zu suchen ist. Bunte Triangel mit ihren bunten Pastellfarben in der Beflossung, wie hellblau, Rosa und zartem Gelb, wie man sie noch bis Ende der 80er Jahre auf Ausstellungen gesehen hat, sind schlichtweg von den Ausstellungen verschwunden.

Ein Umstand, den auch Gernot Kaden, Pirna, schon beklagt hat. Solche dezenten Farben sind im Vergleich zu modernen Stämmen wie Moskau Blau und Vollrot bei der Bewertung einfach benachteiligt und frustrieren den Züchter heutzutage mit ihren Bewertungen.

Je länger ich mich mit dem Thema dieser faszinierenden Zuchtform beschäftige, um so mehr drängt sich mir die Frage auf, warum in etwa 25 Jahren seit dem erstmaligen Auftreten bis Anfang der 90er Jahre sich so wenige Züchter in Deutschland (Europa?) mit dem Erhalt dieser Zuchtform auseinandersetzten. Eine weite Verbreitung im oben genannten Zeitraum hat diese Zuchtform tatsächlich nicht gefunden, denn das Studieren von Ausstellungsberichten und Ergebnislisten gibt nicht viel her, wie in nachfolgender Auflistung dargestellt sei:

Übersicht ausgestellter und dokumentierter Sätze

Zur 17. internationalenGuppyschau der DGG fehlt mir leider eine Ergebnisliste, insofern taucht hier kein Eintrag auf.

18. internationale Guppyschau der DGG 1971

Triangel schwarz-weiß
1. G. Gellrich, Frankfurt
2. Tony Toh, Singapur
3. G. Schaffernicht, Essen
4. Josef Müller, Rumeln

Fächer schwarz Weiß
1. Josef Müller, Rumeln

19. internationale Guppyschau der DGG 1972

Triangel schwarz-weiß
1. G. Gellrich, Frankfurt

Fächer schwarz-weiß
1. R. Kratochwill, Österreich
2. P. Specht, Andernach
3. P. Specht, Andernach

Auf der 20. internationalen Guppyschau der DGG 1973 wurde die Zuchtform nicht ausgestellt, auch nicht von G. Gellrich, der jedoch mit anderen Tieren vertreten war. Ein Jahr später gab es wieder keinerlei Sätze dieser Zuchtform und 1976 wurde es schwierig, da man dazu überging, nicht mehr jeden Farbschlag innerhalb einer Gruppe auszuweisen, sondern nur die Sätze als HS/einfarbig bezeichnete. Allerdings gab es dafür 1976 von Horst Schimmelpfennig Fahnenschwänze zu sehen, von denen mir aus persönlicher Übermittlung und durch Dias bekannt ist, dass diese halbschwarz/weiß waren.

In den Jahren 1977-1979 finden sich wieder keine Infos in den damaligen Guppybriefen. Im Jahr 1980 taucht ein Hinweis zu einem Satz ausgestellter Fächer schwarz-weiß von der Berliner Züchterin Silke Sander auf, welcher auf der internationalen Ausstellung in Kalisz, Polen gezeigt wurde. In der Ergebnisliste der DGG im gleichen Jahr besteht wieder das Problem unklarer Bezeichnung durch die Gruppe Halbschwarz/Einfarbig. G. Gellrich ist immer wieder in dieser Gruppe vertreten, insofern liegt die Vermutung nahe, dass es sich um unsere besagte Zuchtform handelt. Das setzte sich bis 1985 fort!

Gerhard Gellrich geht in das Exil

Ab 1986 taucht G. Gellrich nicht mehr in den DGF-Ergebnislisten auf, da er sich mit der DGF e.V. überworfen hatte. Er stellte von da an nur noch in Wien bei der ÖGG auf deren jährlicher Schau aus, und das bis zu seinem Tode. Wir sehen anhand dieser kurzen Doku bereits, dass außer G. Gellrich selber kein Züchter offenbar über einen längeren Zeitraum in der Lage war, die Tiere zu züchten. Dazu ergab sich durch die gerade genannte Situation auch nur noch für die Züchterkollegen von der ÖGG die Gelegenheit, auf ihrer Ausstellung an diese Zuchtform zu gelangen.

Persönliche erste Begegnungen

Gehe ich in meiner persönlichen Erinnerung seit Beginn meiner organisierten Guppyzucht mit Vereinseintritt in der DGF e.V. im Jahr 1986 zurück, ist mir diese Zuchtform wirklich kaum begegnet. Ich ernniere mich ziemlich genau, da mich eigentlich gerade das Bild von Gellrichs Fisch im Buch von Hans Luckmann fesselte und in meinem Kopf festbrannte, als das ich eine Begegnung vergessen würde. Lebhaft in Erinnerung blieb mir ein Satz von Werner Marschall Ende der 80er Jahre auf einer Berliner DGF-Ausstellung (mit relativ wenig Fehlfarben im Weiß), ein Satz wirklich außerordentlich großer und schöner Tiere von Niels Fetting (?) zur Ausstellung in Ückermünde während der IKGH-Tagung 1991, farblich schöne Tiere von Wilhelm Gebel in Wien anfangs der 90er (kurz vor seinem Tode) und hin und wieder Tiere von Inge und Hans Thomas (DGF e.V.) bis Anfang der 90er. Die letzteren waren jedoch nie wirklich weiß, sondern zeigten mehr ein gelbliches Vanille-Weiß. Außerdem hielt noch Manfred Kugel (Berlin) den Stamm Ende der 80er für eine kurze Weile, ohne ihn ausstellen zu können in Ermanglung ausstellungsreifer Tiere.

Wo lagen die Schwierigkeiten?

Für Neulinge in der Guppyzucht oder Züchter, die in den 90er Jahren angefangen haben, ist es heute nur noch schwer vorstellbar, aber früher bekam man nicht ohne weiteres passende Paare in das Haus geliefert. Es ist schon bemerkenswert, wie einfach die Dinge heute im Vergleich zu damals sind. Ich muss direkt „schmunzeln“, wenn ich das hier gerade schreibe, denn ich hatte gerade kürzlich einen sehr jungen Züchter zu Besuch, der mir erzählte, dass er sich vor wenigen Wochen bei Züchter XYZ von dessen Internetseite einen Rundschwanz-Zuchtstamm geordert hat und wie einfach das doch war. Ich bin ja nicht ganz unschuldig an der Entwicklung, aber ich hatte noch das Glück, beide Seiten kennen lernen zu dürfen.

Damals, und damit meine ich mal die Zeit vor der Wende und dem Internet, war es eigentlich gar nicht ohne weiteres möglich passende Paare zu bekommen. Schon gar nicht als Außenstehender der Szene (Vereine), oder womöglich noch relativ günstig. So blieben den Züchtern nur die jährlichen Ausstellungen, wo dann die Männchen-Sätze käuflich erwerbbar waren. Das ist zwar heute auch noch möglich, aber bei weitem nur eine von vielen Möglichkeiten. Ausstellungstiere sind nicht immer als Zuchtbeginn die erste Wahl, und bei Grossflossern wie Triangeln erst recht nicht. Die Tiere können zu alt sein (mangelnde Vitalität) oder auch durch Ausstellungsstress erkranken, was einen weiteren Zuchteinsatz verhindert. Auch inzuchtbedingte Fertilitätsprobleme sind kein unbekanntes Phänomen.

Zusammengefasst stellt sich also die Situation so dar, dass die Tiere erstmal auf einer Schau verfügbar gewesen sein mussten. Dann musste die Möglichkeit bestehen, diese auch kaufen zu können (mehrere Interessenten möglicherweise), denn Auktionen waren noch nicht üblich. Desweiteren durften die Tiere nicht zu alt oder zu gestresst sein. Kein einfaches Unterfangen! Was aber sicherlich eine der größten Herausforderungen gewesen sein dürfte, war die Überlegung, mit welchen Weibchen man diese Tiere kreuzt, um den Stamm fortzuführen. Züchter-Ratschläge nach dem Motto: „Man nehme…“ waren früher undenkbar. Die Szene ist heute wesentlich aufgeschlossener geworden, und sei es nur, dass man eine Frage in einem der vielen Foren stellt.

Inzuchtschäden und Tragödien

Diese Verpaarung ließ zwar einen farblich sehr harmonischen halb-schwarz-zartbunten Triangel entstehen, ruinierte aber das Weiß schlagartig und ließ sich nicht ohne weiteres reversibel machen, so dass Manfred das Produkt aufgab. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass da bereits der Stamm über 20 Jahre bei Gellrich existierte und wahrscheinlich ohne Einkreuzung, da kein Material von jemandem anders zur Verfügung stand. Bei einem Wien Besuch, Anfang der 90er Jahre, erzählte mir Max Kahrer, dass Wilhelm Gebel seit Jahren eifrig dabei war und versuchte, die Männchen von Gellrich zur Vermehrung zu bringen. Traurigerweise gelang es erst im Jahr vor seinem Ableben.

Ich bewunderte noch die Tiere während meines Aufenthaltes, bei dem mich Max Kahrer mit ihm bekannt machte. Leider verschwand auch dieses Material im Guppy Nirwana. Der Stamm von Inge und Hans Thomas (Bad Hersfeld) war körperlich und farblich sehr differenziert von den anderen Tieren. Leider verschwand auch dieser Stamm, ohne an anderer Stelle fortzuleben, da die Ausstellungstiere dieses Stammes immer wieder brav von Berlin nach Bad Hersfeld zurückgeschickt wurden. Leider habe ich die Fam. Thomas nicht mehr kennen lernen dürfen, da Hans wenige Jahre nach meinem Eintritt in die Szene verstarb und Inge das Hobby aufgab. Auch Hans Luckmann, der nun schon lange dabei ist und beide gut kannte, konnte mir leider nichts zu dem Stamm erzählen. Auch konnte er leider nicht mit anderen Infos zum Theam Halbschwarz/Weiß vor 1986 dienen. Es war halt eine „andere Zeit“ hinsichtlich der Informationsversorgung!

Michael Kempkes machte mich darauf aufmerksam, dass der ehemalige DGF Züchter Heinz Glittenberg auch über einen gewissen Zeitraum Ende der 80er über diesen Stamm verfügte, und zwar direkt von Gellrich. Heinz war daraufhin so nett, mir in einem kurzen Telefongespräch bereitwillig Auskunft zu geben, so dass hier diese Infos noch einfließen konnten. Vielen Dank noch mal an Heinz und Michael an dieser Stelle!

Wie oben bereits angedeutet, können bei längerer und enger Inzucht auch Fertilitätsprobleme auftauchen. Dieses Problem begleitet die Geschichte des Stammes von Gerhard Gellrich fast symptomatisch.
Manfred Kugel, den ich nun seit meinem Beginn im Jahr 1986 kenne, hatte sich von Gerhard Gellrich Original-Tiere des Stammes (Paare) schicken lassen. (Anmerkung CO: Hans-Geor Till aus Herford (+) erzählte mir mal dazu, dass Herr Gellrich für ein(!) Original-Weibchen damals 100 DM nahm). Jedoch kamen kaum bis fast keine Jungtiere. So sah auch er sich gezwungen, eine Fremdverpaarung vorzunehmen, um den Stamm fortzuführen. Seine Wahl damals auf Weibchen aus einem Stamm grau-bunter Triangel von Astrid Young, die er noch hatte. Dieser Stamm entsprach dem Typus der alten, pastellfarbenen Triangel, die ich im 1. Teil bereits erwähnte. Diese Tiere werden übrigens in Japan gern als „Old Fashion“ betitelt und zeichnen sich durch ihr lebhaftes Körpermuster (durch Einkreuzung von Wiener Smaragd DS) und ihre bunten pastellfarbenen Flossen aus.

Heinz Glittenberg teilte allerdings das Schicksal von Manfred Kugel (Berlin), der seinerzeit den Stamm nicht ausstellen konnte in Ermanglung ausstellungsreifer Tiere. Der Stamm produzierte zu viele Fehlfarben im Weiß. Auf meine Frage, ob er denn auch Original-Weibchen erhalten habe, sagte er ja, äußerte aber schon den Verdacht, dass auch Gellrich möglicherweise nur einen gewissen Prozentsatz rein weißer Tiere über eine größere Menge Nachzuchten erzielen konnte. Heinz besuchte verschiedene Male Gellrich in seiner legendären Anlage im Ratskeller und versuchte bewusst auch das Gespräch immer wieder auf den Ursprung des Stammes zu lenken; jedoch ohne Erfolg. Gellrich wich immer elegant der Frage aus, wenn er auch ansonsten ein sympathischer netter Züchter zu sein schien. Es scheint fast so, als ob das Geheimnis dieses Stammes nicht wirklich gelüftet werden kann.

Ein Geheimnis bleibt und ein anderes lüftet sich

Dennoch aber brachte das Gespräch mit Heinz Glittenberg etwas anderes zutage, was mit der Geschichte des Stammes eng verknüpft ist, nämlich den Ursprung der Triangel Halbschwarz Gelb! Nicht nur, dass solche Tiere in den Becken der HS Weißen bei Gellrich schwammen, sondern auch in den Nachzuchten bei Heinz Glittenberg auftauchten. Damit könnten wir zumindest davon ausgehen, dass der Ursprung nicht nur der gleiche Züchter war, sondern auch ziemlich sicher auch den gleichen genetischen Ursprung besaß! Aus der amerikanischen IFGA Literatur ist bekannt, dass der erste HS Gelb Guppy auch von Gellrich in die USA kam, jedoch offen ließ, ob eine Verwandtschaft der beiden Zuchtformen bestand.


Kein Zufall?

Es schien mir immer mehr als merkwürdiger Zufall, dass gerade HS Weiß als auch HS Gelb Tiere das NI2-Gen nicht nur im X-Chromosom hatten, sondern auch HS über Gene auf dem Y-Chromosom vererbten. Eine weitere Tatsache, die beide Stämme teilten ist, dass sowohl Weiß als auch das Gelb offensichtlich nicht ohne weiteres von NI 2 mittels Kreuzung abgekoppelt werden kann. Ursache für solch ein Phänomen ist, dass die Gene, die für die Ausprägung dieser Farben zuständig sind, zu dicht beieinander liegen und daher nur zusammen als Kopplungsgruppe vererbt werden können.

Neue Anfänge

Doch erstmal zurück zu der Geschichte, die 1994 erstmals wieder ernsthafte Züge annahm. Halten wir an dieser Stelle noch mal kurz fest, dass es offensichtlich in Deutschland, wahrscheinlich sogar in Europa, niemand bis dahin schaffte, Gellrichs ursprünglichen Stamm rein in Ausstellungsqualität weiter zu vermehren, bzw. überhaupt zu erhalten. So kann manman von Glück reden, dass Gerhard Gellrich gleich nach dem ersten Präsentieren des Stammes bereitwillig Tiere an japanische Züchter im Jahre 1969 verkaufte, welche die Ausstellung damals besuchten und damit einen der Eckpfeiler der japanischen Zucht etablierten! Auch müssen wir von Glück reden, dass Gerhard Gellrich sich an amerikanischen Ausstellungen beteiligte und auch dort durch diese Tiere die Ausstellungsklasse Halbschwarz Pastell begründete. Dazu im Detail später mehr.

Im Jahr 1993 hatte ich das Glück, nach meinem Abitur eine erste Reise in die USA unternehmen zu können und besuchte seinerzeit den noch in New York wohnenden Züchter Stephen Kwartler. Meine erste USA Reise war eigentlich vordergründig darauf angelegt, Albino Guppys mitzubringen. Allerdings gab mir die Reise Gelegenheit, viele neue Stämme und ihre Züchter kenn zu lernen. So sah ich bei Stephen in der Zuchtanlage mein erstes Zuchtpaar sogenannter amerikanischer Halfblack Pastel (HS Pastell). Es handelte sich dabei um ein Paar, was Stephen von dem Züchter Jim Maier aus Milwaukee, Wisconsin, erworben hatte. Jim war damals führend in dieser Ausstellungsgruppe und erzielte augh diverse BOS (Best of Show) Preise. Die Tiere waren farblich ein echter Traum mit ihren tiefschwarzen Hinterkörpern und der schneeweißen Beflossung. Natürlich war das Paar nicht zu bekommen, aber es dauerte nicht lange, bis Stephen ausreichend Nachzucht hatte und diese zum Verkauf anbot. Ich importierte dann 1994 einige junge Nachzuchtpaare dieses Stammes. Nennen wir es Zufall, Glück oder Schicksal, denn parallel besuchte 1994 ein japanischer Fotograph des „Fish Magazines“ die DGF Ausstellung um Bilder zu machen. Als Gastgeschenk brachte er verschiedene Guppys mit, u.a. ein Paar Triangel Grau Halbschwarz Weiß aus der Zucht des bekannten japanischen Züchters Gen Hideshima.

Es schien mir immer mehr als merkwürdiger Zufall, dass gerade HS Weiß als auch HS Gelb Tiere das NI2-Gen nicht nur im X-Chromosom hatten, sondern auch HS über Gene auf dem Y-Chromosom vererbten. Eine weitere Tatsache, die beide Stämme teilten ist, dass sowohl Weiß als auch das Gelb offensichtlich nicht ohne weiteres von NI 2 mittels Kreuzung abgekoppelt werden kann. Ursache für solch ein Phänomen ist, dass die Gene, die für die Ausprägung dieser Farben zuständig sind, zu dicht beieinander liegen und daher nur zusammen als Kopplungsgruppe vererbt werden können.

Schicksalhafte Initialkreuzung

Horst Schimmelpfennig hatte mit dem Paar kein Glück, denn das Weibchen verstarb überraschend. Da ich parallel von Stephen einige amerikanische Paare gerade bekommen hatte, bot ich ihm ein jungfräuliches amerikanisches Nachzucht-Weibchen der „Maier“-Linie an, und wir vereinbarten, uns die Nachzucht zu teilen, sollte die Verpaarung klappen.
Glücklicherweise klappte die Verpaarung und das Maier Weibchen produziierte reichlich Jungfische. Natürlich gab es einen gewissen Hybrid-Effekt, dennoch muss man sagen, dass beide Stämme so gut ineinander aufgingen, wie ich das kaum in meiner langjährigen Züchterzeit wieder erleben durfte. Diese Kreuzung und ihre Nachzuchten bildeten die Basis für die ersten neuen HS Weiß Tiere, die in Deutschland und Europa wieder verfügbar waren.

Züchter, Kreuzungen und Importe

Die 90er Jahre waren gewissermaßen eine echte Boom-Zeit für neue Kontakte nach USA und Japan. Besonders zog es Ömer Gülmez nach mir rund um den Planeten, und er bereiste öfter als ich die USA und auch Japan. Fast immer konnten dabei Tiere mitgebracht werden, und so lässt sich kaum noch rekonstruieren, wer welches Material bekommen hatte und mit was verkreuzt wurde. Besonders die Reihe der sogenannten World Guppy Contests dürfte diverse Linien nach Europa gebracht haben. Insofern erwähne ich hier nur einige mir bekannte Fakten, die aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Durch den Kontakt mit dem Züchter und Händler Hideharu Nishihara aus Osaka, Begründer der WGCs, erhielt Ömer gleich zu Beginn einige Albino HS Weiße, die er mir seinerzeit übergab, da er um meine Albino-Liebe wusste.

Ich erinnere mich, dass der Stamm sehr klein war, aber unglaublich fruchtbar. In reiner Form wollte ich ihn nicht erhalten und verpaarte ihn mit meinem grauen Stamm der Initialkreuzung „Hideshima x Maier“. Von den grauen F1 Hybriden erhielt u.a. auch der polnische Züchter Janusz Oziomek (Polen, PTAT) Material während eines Besuches einer Berliner DGF-Ausstellung ab. Im nächsten Jahr gab es fast inflationär HS Weiße aus Polen und Tschechien.
Ich gab mich damals damit nicht zufrieden und bastelte weiter an den Tieren rum in Form der Ergänzung mit dem Platinum Gen. Auch diese Tiere waren mit 83 Punkten dann auch auf einer polnischen Ausstellung sehr erfolgreich. 1999 war ich in LA, Kalifornien, bei den Pan Pacific Guppy Association Züchtern Luke Roebuck, Frank Chang und Jim Alderson zu Besuch. Als Gast-Geschenk brachte ich u.a. einige der Platinum Albinos mit, die von Luke reichlich nachgezogen und verkauft wurden und noch heute auf seiner Webseite stehen.

Nicht unerheblich dürften auch die Besuche 1998 in Milwaukee zum WGC gewesen sein, wo von Jens Bergner u. a. HS Weiße der Bill Klein Linie ihren Weg nach Deutschland fanden. Ömer Gülmez brachte dann auch noch Tiere aus Boston, New England, von E.T. Mellor mit, die ich glaube bis heute noch im Bestand von Jens Bergner sein dürften. Interessant zu erwähnen wäre vielleicht noch der Albino HS Weiß-Gelb Stamm, der von Guy Kaplan aus Israel importiert wurde. Dieser Stamm kommt ursprünglich indirekt von Gernot Kaden.
Gernot war auf einer von mir und dem „Aquarienverein im Märkischen Viertel“ (Berlin) initiierten Lebendgebärenden-Börse zu Gast, die auch Guy besuchte. Gernot bot dort Kreuzungen seiner halbschwarz gelben Triangel (Ursprung Gary Mousseau über Hermann Magoschitz) an, die mit Albino Triangeln verpaart waren. Die Albinos stammten von japanischen Züchtern, die vor Jahren zusammen mit Friedrich Bitter in Bretnig zu Besuch waren.


Einer der ersten Züchter, der von mir damals Tiere erwarb, war Diethelm Schröer aus Unna. Diethelm war nie organisierter Ausstellungszüchter, sondern eher ein sehr engagierter Hobbyzüchter, der es verstand, im größeren Stil hochqualitative Tiere nachzuzüchten und auch über den Handel der breiten Masse verfügbar zu machen. So dürften einige zehntausend Tiere (grob gerechnet) zwischen 1994 und 2006 den Weg in den Zoofachhandel gefunden haben, besonders im Raum NRW.
Diethelm kommt eigentlich aus der Rassehühner-Zucht, hat aber das, was man wahrscheinlich ein Züchter-Händchen nennt, den er konnte den Stamm extrem lange auf hohem Niveau erhalten. Er hatte zeitweilig auch Zuchtmaterial zur Einkreuzung ausprobiert, kehrte aber immer wieder zur ursprünglichen Linie zurück, da es keine Verbesserung ergab. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, da der Stamm nicht immer bei mir präsent war, ich aber jederzeit Zugriff darauf hatte und heute noch davon zehre. Diethelm hat es mittlerweile zu den Garnelen verschlagen, aber der Stamm lebt weiter in meinen aktuellen HS Weiß Linien und deren American Pink White (APW) Abkömmlingen.

Zum Schluss

Wie man spätestens jetzt merkt, ist es meistens so, dass einige Fakten noch relativ gut dokumentiert sind, es aber irgendwann durch die rasante Verbreitung der Tiere extrem unübersichtlich wird.
So kann und konnte ich auch nur über Vorgänge berichten, in die ich eingebunden war, bzw. die mir zufällig bekannt sind. Daneben existieren wer weiß wieviele Geschichten, Tauschaktionen u.a. mehr. Deswegen beende ich an dieser Stelle die Geschichte und befasse mich in den nächsten Teilen mit den USA und Japan, deren Züchter den Stamm quasi retteten.


Der Standard – sdas Geheimnis des Erfolges?

Eine Sache, die ich an der amerikanischen Guppyzucht sehr schätze und die in vielen Bereichen sicherlich den Erfolg ihrer Züchter erklärt, liegt in ihrem Standard und den Frabgruppen. Um Nissverständnisse von vornherein auszuräumen, ich möchte das System in den USA nicht glorifizieren, es hat aber in Bezug auf Schaffung ihrer Stämme Grundlagen gelegt, indem es nicht wirklich flexibel war, aber für Schaffung dieser Stämme halt ideale Voraussetzungen bot. Um kurz den Leserkreis, der mit dem IFGA-Srandard nicht vertraut ist, bekannt zu machen, ein paar kurze Infos vorweg. Die Sätze werden nicht einzeln durchgewertet, sondern durchsortiert und nur die vier besten bleiben übrig. Eine detaillierte Bewertung mit Punkten kommt nur zum Einsatz, wenn sich durch Sortieren keine eindeutige Platzierung ermitteln lässt. Was noch wesentlich entscheidender ist, ist der Hintergrund, dass man in den USA Punkte sammeln muss, und zwar innerhalb der Farbgruppe, um erfolgreich zu sein. Platzierungen und Punkte aus verschiedenen Farbgruppen können nicht addiert werden. Züchter werden daran gemessen, wie gut sie Punkte in der Farbgruppe gesammelt haben, und nicht wie in Europa generell nur die Punktzahl eine Rolle spielt. Der Urgedanke, den Dr. Michael Stoerzbach, der geistige Vater des IHS hatte, zwang sie jedoch nicht zu wirklich rigoroser Zuchtarbeit an einzelnen Farben. So verdanken wir ihm eine große Anzahl Formen und Farben, aber auch die Versuchung, sich darin zu verlieren!

Amerikanische Züchter sind auf Erfolg gepolt, denn nur platzierte Fische finden Beachtung, und dies ist auf den Schauen ein kleiner Teil, wenn es nur 4 Plätze in der Farbgruppe gibt!

Die lieben Fehlfarben

In Europa wahrscheinlich das „Unwort“ des Jahres, wenn wir so einige Diskussionen Revue passieren lassen, die es im Internet gab. Richtig ist, dass der IHS keine Fehlfarben kennt, sondern nur Farbe im allgemeinen. Kurz, jeder Fisch wird bewertet! Das Hauptproblem stellt sich eher für manche Punktrichter und Ausstellungsleiter in der Form dar, wie gewisse Fische zu klassifizieren und einzuordnen sind.

Der IFGA Standard verlangt hingegen absolut saubere Farben. Um mal bei HS Weiß zu bleiben, käme ein Fisch, der einige gelbliche oder orange Punkte oder Farbeinschlüsse generell zeigt, gar nicht erst in die Wertung und würde eine Beschickung einer Ausstellung vollkommen sinnlos machen. In Europa könnte der Züchter noch jederzeit mit einer Wertung rechnen, Fehlfarbe hin oder her!

Halbschwarz bleibt bitte Halbschwarz

Auch das Merkmal Halbschwarz wird vom IFGA-Standard anders gesehen als im Rest der Welt. So spielt es weder in Europa (IHS) noch in Asien, insbesondere Japan, eine Rolle, ob das Halbschwarz wirklich Halbschwarz ist, bzw. durch Guaninglanz im Nackenbereich der Tiere überlagert ist. Das Gegenteil ist eher der Fall, denn oftmals finden sich unter solchen Tieren besonders hohe Platzierungen, da man diese „Extrafarbe“ sehr wohlwollend betrachtet. Hier kommen gleich zwei interessante Aspekte zum Tragen. Zum einen möchte der amerikanische Standard das Merkmal Halbschwarz als solches klar erkennen, und das geht nur ohne andere Farbeinlagerungen, zum anderen gibt es Erfahrungswerte, die darauf hinweisen, dass bei erhöhtem Guaninglanz über dem HS es zu einer erhöhten Quote von Fehlfarben kommt! Soweit der kleine Ausflug in amerikanische Idealvorstellungen.

Die ersten Importe von „good old Germany“

Natürlich kamen die ersten HS Weißen aus Deutschland und selbstverständlich kamen sie von Gerhard Gellrich direkt in die USA. Allerdings finden sich zwei Angaben in der amerikanischen Literatur, die für sich eine Art Erst-Import beanspruchen. Jim Alderson schreibt in einem Artikel des Guppy Roundtable in der März Ausgabe von 1994, dass verschiedene Mitglieder der „Pan Pacific Guppy Association“ Ende der 60er Jahre die ersten HS Weißen in die USA importierten und die ersten „Würfe“ unter den Mitgliedern verteilten.
Die andere Angabe stammt von Elvis Bryant aus dem IFGA Bulletin Mai 1992, in der er ein Paket von Gellrich im Jahre 1970 für die Show in St. Louis erwähnt. Dieses Paket enthielt 5 männliche Guppys, und zwar 4 HS Weiße und 1 HS Gelb Männchen. Letzteres ist insofern interessant, weil es wirklich die einzige Erwähnung zum Ursprung der HS Gelben liefert und höchstwahrscheinlich das Urtier aller HS Gelb Stämme bis heute darstellt. Das ist aber eine weitere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden kann!

Es wurde viel gekreuzt

Obwohl den Mitgliedern der PPGA offensichtlich ein Import von wenigen Paaren gelang, ging man doch andere Wege, um mit den Tieren weiter zu arbeiten. Der kalifornische Züchter Glen Parrish soll seine Tiere mit „Gelben (Yellows) gekreuzt haben, um Größe und Vitalität zu verbessern, da ihm der Ausgangsstamm von Gellrich zu klein erschien.

Wie muss man sich diese amerikanischen Gelben von damals vorstellen? Typische amerikanische Stämme wiesen früher, wie auch noch in jüngerer Vergangenheit, wenig Farbe im Körper auf, sie waren total auf die Beflossung der Farbe ausgerichtet. Zum einen findet sich im Buch des amerikanischen Züchters Stan Shubel auf Seite 232 ein blondes Männchen mit wenig Körperfarbe, aber dafür mit rein gelben Flossen, des weiteren hatte ich 1995 Gelegenheit, einer IFGA-Ausstellung beizuwohnen und amerikanische „Gelbe“ näher zu betrachten. Die Tiere boten im Körper wirklich kaum Farbe und zeigten eigentlich nur den blonden Körper mit wenigen Punkten. An sich ein unspektakulärer Fisch, aber perfektes Einkreuzmaterial, da kaum andere Merkmale das HS im Körper beeinflussen konnten. Derartige Fische sind in den USA quasi ausgestorben, seitdem blonde Mikariff- und andere Metallic-Tiere diese Farbgruppe bestimmen und mittlerweile auch dominieren.

Würde man Jim Alderson glauben, soll aus dieser damaligen Verpaarung von Glen Parrish der Ursprung aller HS Weißen der amerikanischen Züchter hervorgegangen sein. Dass dem nicht ganz so sein kann, zeigt der Artikel von Elvis Bryant, der in oben genannter Quelle seine detaillierte Zuchtarbeit von 1970 bis 1975 dokumentiert. Elvis hatte, im Gegensatz zu den Kollegen, in Ermangelung von Original-Weibchen, gar nicht erst die Chance eine F1 zu erzielen, sondern musste sofort kreuzen.

In den 5 Jahren seiner Zuchtarbeit wählte er dabei unterschiedlichste Weibchen-Stämme. Von allen denkbaren und erhältlichen Stämmen stellten sich aber nur wirklich zwei als geeignet heraus. Der erste Stamm war wie bei Glen Parrish ein sogenannter „Gelber“ und der zweite war ein „Grüner (Green)“. Auch hier kurz zur Erläuterung eine Beschreibung des amerikanischen Grüns. Derartige Stämme wiesen und weisen auch heute noch fast ausschließlich Farbe in Flossen auf und auch wenig Körperfarbe, meist nur einen schwachen Grünton mit wenig roten Punkten. Die eigentliche ausgeprägte grüne Farbe findet sich in den Flossen und erscheint beim flüchtigen Betrachten eher Türkis, es sei denn es bieten sich Vergleichsmöglichkeiten zu echten blauen Triangeln amerikanischer Herkunft. Due F1 der Verpaarung HS weißer Männchen mit grünen Weibchen gab etwas in Richtung „Mintgrün“. In der weiteren Nachzucht gab es dann wieder Tiere, die als Weiß angesprochen werden konnten. Diese Kreuzung brachte aber auch Probleme in Form von schwarzer Farbe mit sich, die in die Kaudalregion kroch und das Weiß verdunkelte, bis es bläulich erschien. Es dauerte Jahre, diesen Anteil wieder herauszuzüchten. Dass dieser Weg offensichtlich auch später noch mal erfolgversprechend sein sollte, zeigt folgende Geschichte.

Die Zelinski Geschichte

In den späten 70er und frühen 80er Jahren züchtete Vic Piteo die hübschesten und „reinsten“ HS Weißen in den USA. Der Stamm wuchs langsam, aber erreichte Ausstellungsgröße, wenn man ihm genug Zeit gab. Frank Chang, ein weiterer Züchter aus Kalifornien und Freund von Jim Alderson, besuchte Vic 1980 in New York. Da Vic neue Farben wollte, ließ er Frank großzügig aussuchen, was ihm gefiel. Frank züchtete Vics Linie weiter und verteilte sie an etliche andere Züchter, u. a. Tom Zelinski aus Milwaukee, Wisconsin. Tom tat dasselbe wie Elvis viele Jahre zuvor, er kreuzte diese Tiere noch mal mit Grünen! Auch hier sollte es wieder Jahre und etliche Generationen dauern, bis die Farbe rein war. Aber die Beharrlichkeit und das Ziel, die Tiere durch diese Einkreuzung nochmals zu verbessern, zeigte Erfolg. Die Zelinski-Linie wurde ein Meilenstein in der Geschichte. Frank Chang hielt diese Linie noch rein bis mindestens 1999, als er sie mir stolz bei einem Besuch präsentierte. Die Tiere waren mittelgroß, zeigten aber eine fantastisch klare Trennung des Schwarz im Körper und der schneeweißen Beflossung.

Die Arbeit macht sich bezahlt

Tom Zelinski dominierte auf Jahre die Klasse der HS Weißen. 1984 wurden auf der kalifornischen PPGA-Ausstellung 33 von 416 Sätzen nur in dieser Klasse gezeigt, ein grossteil von Zelinski. 1985 ließ er in New York während der „Big Apple Group-Ausstellung“ keinen anderen Züchter Licht am Ende des Tunnels sehen und platzierte sich in allen drei Klassen (Einzelmännchen, Zweier-Sätze und Fächer) HS Weiß auf allen vier Plätzen! Das Gleiche wiederholte sich dann fast noch mal in Indianpolis und auf der Annual-Show (größte und wichtigste Show am Ende des Jahres).

Es gibt noch Steigerungen
Im Jahr 1989 taucht Jim Maier in der Szene auf und wechselt binnen einer Saison von der Anfänger Klasse (Novice) direkt in die reguläre HS Weiß Klasse und belegte 2, 3 und 4 Plätze, bis er sogar im November schließlich die Führung übernahm. 1990 traut er sich an die amerikanische Meisterklasse und stellt 5er Sätze aus (Male Breeders) und kann mit HS Weißen erstmals BOS (Best of Show) verbuchen, was vorher noch keiner damit schaffte, soweit ich das in meinen Unterlagen ersehen konnte. Jim Maier war bis Mitte der 90er Jahre aktiv. Seine Siegesserie wurde in der Klasse leider nicht durch Konkurrenz gebrochen, sondern durch Wasserprobleme, die er nicht in den Griff bekam. Deprimiert gab er auf.

Amerikanische Tipps zur Zucht von HS Weißen
Erfolg ist eine Frage der Konzentration! Alle Züchter, die hervorragende Leistungen erbrachten, befassten sich zu den Zeitpunkten fast ausschließlich mit diesem Stamm. Wenngleich auch große Zuchtanlagen in den USA verbreitet sind, so ist es nicht zwangsläufig Erfolgsgrundlage, sondern wie auch bei uns, häufig der Wunsch nach noch mehr Stämmen. Jim Maier wie auch Et Mellor, um mal zwei Züchter aus der jüngeren Vergangenheit herauszugreifen, waren in der Lage, die Klasse auf Jahre zu dominieren und große Shows (BOS) zu gewinnen und das mit weniger als 10 Becken! Eine Zahl, die auch Mut machen kann und zeigt, dass mit Konzentration und Engagement selbst aus kleinen Anlagen großer Erfolg erwachsen kann, wenn man bereit ist, sich zu beschränken.

Ergänzend und zum Abschluss noch einige Tipps und Bemerkungen diverser amerikanischer Züchter:
a-Ältere Männchen zur Zucht nehmen, um spätere Fehlfarben auszuschließen, die im Alter auftreten.
b-Jüngere weibchen wählen, da ältere HS Weiß Weibchen, jungfräulich gehalten, zur Unfruchtbarkeit neigen.
c-Weibchen mit zu stark ausgeprägten weißen Flossen neigen zu Fehlfarben und erhöhtem Guaninglanz.
d-Sämtliche Weibchen mit schwarzen Punkten sind aus der Zucht auszuschließen.
e-Geschwisterverpaarungen vermeiden, wenn überhaupt, Halbgeschwister.

Der Weg führt nach Japan

Die zweite wichtige Nation, die neben den USA dazu beitrug, dass diese Zuchtform nicht verschwand, war Japan mit seinen Züchtern. Gerade hier gibt es für uns Mitteleuropäer das große Problem, dass es eigentlich kaum erreichbare Quellen gibt, die etwas über die Geschichte der dortigen Aquarienfischzucht verraten. Das einzige Buch, das den europäischen Markt in englischer Sprache erreichte, war das Werk des Japaners Noboru Iwasaki, welches vom amerikanischen Verlag TFH Ende der 80er aufgelegt wurde. Mit etwas Glück findet man den Titel „Guppies fancy strains and how to produce them“ noch heute hin und wieder beui den Internetportalen Ebay oder ZVAB. Jedoch sind auch die Informationen in diesem Buch spärlich und sagen kaum etwas über die Geschichte oder die Genetik des Stammes aus. Neben diesem Titel wurden zwar in Japan diverse Bücher über Guppys produziert und fanden durch Liebhaber-Importe (z.B. durch Ömer Gülmez, Berlin) auch ihren Weg nach Deutschland, blieben aber wegen der Sprachbarriere im weitesten Sinne nur nette Bilderbücher für uns.


Hier sehe ich auch das Problem bei uns und den Niedergang der Qualität bestimmter Stämme, die mangels Konzentration einen Qualitätseinbruch erleben müssen.
HS Weiß gehört definitiv nicht zu den Stämmen, die man nebenher machen kann!

Die wundervolle Welt des Internets

Wenn auch, gerade was historische Hintergründe betrifft, Bücher und Zeitschriften nach wie vor unerlässliche Informations-Quellen sind, hilft doch hin und wieder auch das Internet weiter. In unserem Fall sogar sehr weit!

Vor einigen Jahren gründeten zwei ambitionierte Guppyzüchter aus den USA und Brasilien (Enrique Patino und Sergio Chaim) die Seite „GuppyLabs“, die neben Fachartikeln zu diversen Guppy Themen in englischer Sprache auch eine Reihe von Interviews publizierte. Eine Mitarbeiterin dieser Webseite, Tomoko Young (Hawaii), führte verschiedene Interviews mit japanischen Züchtern. Diese wurden auf Englisch veröffentlicht und so auch uns zugänglich.

Es war einmal …

Einer der wichtigsten japanischen Züchter ist Gen Hideshima. Ich erwähnte ihn bereits früher in dieser Serie (Teil 3), denn ein Teil des Zuchtmaterials, das Deutschland wieder zugeführt wurde, stammte von ihm.
Gen Hideshima hat in der Geschichte unserer Zuchtform eine entscheidende Rolle gespielt, weil es auch in Japan einmal mit diesen Tieren Probleme gab. Herr Hideshima ist Jahrgang 1953, begann im Alter von 13 Jahren mit der Zucht von Guppys und ist damit seit 44 Jahren in unserem Hobby verankert.
Er lernte das Züchten, wie auch Noboru Iwasaki und Yoshiki Tsutsui, unter dem japanischen Meister-Züchter Katsuo Izumi.
Bereits 1969, dem Jahr des phänomenalen Auftretens der HS weißen Tiere in Deutschland (Teil 1), gelangten über den Züchter Toshio Hamai erste Tiere nach Japan.

In Japan hatte man zunächst größeres Glück als die Züchter in den USA, da man Original-Paare von Gerhard Gellrich erwerben konnte. Insofern war man versucht, den Stamm in reiner Form zu erhalten und schaffte dies bis in die 80er Jahre hinein. Dass dann Mitte der 80er Jahre die Tiere sichtlich nachgelassen haben müssen, zeigen Abbildungen in oben genanntem Buch von Iwasaki deutlich. Vergleichen wir die Bilder darin mit Bildmaterial aus den Büchern von Luckmann oder Jacobs, sieht man den Tieren den hohen Stand der Inzucht-Depression an.
In den 80er Jahrentauchte nun das Problem auf, dass die Weibchen fast oder ganz steril wurden und es kaum noch Jungfische gab. Es war eine tragische und fast aussichtslose Situation, zumal es gerade einmal noch vier Züchter im ganzen Land gab, die über diese Zuchtform verfügten.

Singapur hilft weiter

Um das Problem zu lösen, entschied sich Herr Hideshima zu zwei vielleicht ungewöhnlich anmutenden Kreuzungen. Er verpaarte ein Männchen der „German Yellow Tuxedo“ (Bezeichnung der Japaner für die Zuchtform HS Weiß) mit einem Weibchen der Zuchtform „King Cobra“ und anschließen mit Tieren der sogenannten „Singapore Pineapple Guppys“ (Blond HS Gelb). Durch diese Kreuzungen wurde der Stamm vor dem Erlöschen bewahrt und bildete das neue genetische Fundament aller heutigen existierenden japanischen Stämme dieser Zuchtform.
Da an dieser Stelle das Interview nicht weiter in die Details dieser Kreuzungen vordringt, bleibt hier wieder etwas Raum für Spekulatuion.

Spekulation oder Fakten?

Wie wir heutzutage wissen, weist der Triangel HS Weiß das genetische Konstrukt auf, dass das Weiß nicht ohne weiteres vom Halbschwarz (NI) abgekoppelt werden kann.
Offensichtlich liegen die beiden verantwortlichen Gen-Loci zu dicht beieinander, als dass es ohne weiteres zu einem Crossing-Over kommen könnte. Zusätzlich ist bekannt, dass es sich um eine Zuchtform handelt, welche die diesbezügliche Informmation sowohl auf dem Y- als auch auf dem X-Chromosom aufweiste.
Wenn wir mal den Nachteil ausklammern, dass wie gesagt Weiß nicht ohne weiteres abkoppelbar ist, wissen wir deshalb auch, dass bei Verpaarungen mit fremden Stämmen der Einfluss der X-chromosomalen Gene begrenzt ist.
((Oder „fremden Weibchen“ statt „Stämmen“? Sonst könnte ja auch das Y-Chromosom Einfluss haben. Oben schreibt er ja ausdrücklich, dass die Info auf beiden liegt.))

Denn ein Crossing-Over stellt sich als fast unmöglich dar. Es gibt zwar intermediäre (äußerlich dazwischen liegende) Typen, die sich in der F1 ausbilden können, aber diese spalten spätestens in der F2 auch wieder relativ sauber auf – da ja Neukombinationen kaum möglich sind.
So wird durch die Enkreuzung vermutlich kein neues geschlechtsgebundenes Merkmal integriert worden sein, aber mit Sicherheit äußerlich nicht sichtbare autosomale Anlagen, die sich in Fruchtbarkeit und Frohwüchsigkeit ausdrückten und somit den Stamm von Herrn Hideshima retteten.
Wie immer gibt es aber auch die berühmt-berüchtigte Ausnahme! Diese muss hier natürlich auch erwähnt werden.

Das Wählen der beiden oben genannten Stämme war insofern besonders geschickt, als deren Einzelmerkmale wie z.B. das Gen Filigran, das sich hinter der Bezeichnung „King Cobra“ versteckt, einfach abkoppelbar sind. Hätte Herr Hideshima hingegen Weibchen aus einem roten Triangel-Stamm gewählt, wäre der Stamm ruiniert gewesen. Von Rot wissen wir mittlerweile, dass es sich viel komplexer verhält und hier gute Stämme aus einer Vielzahl von einzelnen Genen resultieren. Diese lassen sich nicht ohne weiteres wieder sauber herausselektieren.

Zum Schluss
Sollten Sie wert® Leser(in) an dieser kleinen Entdeckungsreise in 5 Teilen genauso viel Spaß gehabt haben wie ich, dann habe ich mein Ziel erreicht! Ich werde auf jeden Fall nicht aufhören, Fakten und Notizen zu dieser Zuchtform zu sammeln und, falls es sich lohnt, später vielleicht noch einmal davon berichten.


Mit freundlichen Grüßen
franzpeter
zuletzt bearbeitet 31.07.2015 00:06 | nach oben springen
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