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Russische Moskauer

in Guppy-Stämme 26.02.2013 00:13
von franzpeter | 17.439 Beiträge

Hallo.
Ein kleiner Auszug (Theorie und Praxis der Guppy Zucht, P. Shaddock, 2009, Seite 99) über den Ursprung des Moskauers. Besonders interessant der russische Artikel hierzu.


Moskauer Schleierschwanz (Vasiliev, Polkanov 1971)

Es ist kaum zu glauben, dass der Moskauer erstmals von einem Züchter in der Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde. Aber es ist wahr. Auf jeden Fall haben wir einen Beleg für einen Guppy namens „Moskauer Guppy“. Da der Artikel kein Bild enthielt, und die Autoren nur sagen, dass der Stamm einen farbigen Kopf besaß, kann ich nicht definitiv sagen, dass sie über den modernen als Moskauer bekannten Guppy geschrieben haben.

Dieser über seine Einführung und Entwicklung berichtende Artikel wurde im russischen Journal „Fish Culture and Fishery“ im Jahr 1971 (Nr. 6) von N. Vasiliev, F. Polkanov veröffentlicht. Vasiliev war zu dieser Zeit ein angesehener Züchter, und Polkanov war ein Genetiker.

Es gelang mir diesen Artikel, ins Englische übersetzt, von einem Bruder eines Mitglieds des Guppy Designer Forums, Mike McBrien,zu erhalten. Dr. Sergey Apryatin, ein russischer Wissenschaftler (Immunbiologe, ohne Ahnung von Guppy-Genetik, Anm. d. Übersetzers) las die englische Übersetzung und befand sie für korrekt.

„ Wenn Moskauer Kenner sich für ein Emblem entscheiden müssten, würden sie gewiß das Männchen des sogenannten Moskauer Schleierschwanzes wählen. Und es macht uns nicht nur stolz, dass dieser Stamm lokalen Ursprungs ist – sie brennen rot wie Feuer, glitzern grün wie Smaragd, ihr Schwarz ist tief wie Samt, und ihre Körperform ist zweifelsfrei und genau.



Die erste Erwähnung des Stammes erschien in N.A. Vasilievs Artikel im Jahr 1957. Man kann darüber in Ausstellungsberichten lesen. Man würde erwarten, dass eine signifikante Literatur sich über Moskauer angesammelt haben würde. Aber in der Praxis gibt es keine volle Beschreibung dieses Stammes, oder der Geschichte seines Ursprungs, bis heute. Ist nunmehr die Zeit reif über den Moskauer Schleierschwanz im Detail zu reden?

In den Vorkriegsjahren (vor dem 2. Weltkrieg) konnte der Staat kein Geld für den Kauf exotischer Fische ausgeben, daher kamen nur wenig neue Stämme herein. Da keine neuen Stämme importiert werden konnten, erstrebten Kenner sie zu züchten. Es entstand ein kühnes Interesse an der Züchtung neuer Stämme.
Der Favorit bei den Aquarianern war Poeciliopsis (eine Fischart aus der Familie
der Poeciliidae) und Mechanoscy und deren verschiedene Hybriden. Jedoch auch der Guppy besaß viele Bewunderer. Einer der ersten war M. V. Matasov.
In Amateurkreisen war er als „Herr Guppy bekannt“. Er war ein außergewöhnlicher Mann, nicht zur Schau stellend, sondern freundlich und bescheiden, in der selektiven Zucht war Matasov ein unermüdlicher Arbeiter. Er arbeitete zweckmäßig und beharrlich. Als Material besaß er Laboratoriums Linien aus dem Bestand von Prof. V. F. Natali, einem der Pioniere der Guppy Genetik. Die Laboratorium Guppys sahen sehr normal aus, gewöhnlich mit einem oder zwei genetisch bedingten Farbmustern. Sie wurden kombiniert und ergaben einige sehr schöne neue Phänotype. Matasov selektierte diese Fische und verbesserte sie Jahr für Jahr.
Man muß P. N. Barto erwähnen, der einmal die besten Guppys in Moskau besaß. Pavel Nikolaevich (Barto) lebte in einem Appartement an der Kursk Station.
Wenn man die Türschwelle seines Appartements betrat, wurde es einem sofort klar: da drinnen war eine Menge los. Das Appartement war auch mit Guppys vollgestopft. Sie lebten auf einem Tisch in runden Marmeladengläsern und Eimern. Alle Fisch-Einrichtungen wurden mit einer schwachen el. Birne beleuchtet, so konnten die Fische auch nicht frieren. Marmeladengläser waren um eine Lampe platziert und mit einer Decke abgedeckt. In diesen Jahren hatte man kein Konzept für Pumpen und Filter. Matasov hielt seine Guppys in Marmeladengläsern, einer der Autoren dieses Artikels, N. A. Vasiliev, hielt seine Fische in Marmeladengläsern. Trotzdem entwickelten sich die Guppys während des Kriegs weiter. Der Moskauer Rundschwanz trug die Prägung dieser Bedingungen. Die Fische waren farbig und leuchtend, aber sehr klein: in kleinen Marmeladengläsern überdauern nur kleine Fische.

Moskauer Rundschwänze waren sehr variabel. Rot mit metallischer Farbe. Rot-orange mit Flächen perlmutterartiger Farbe auf dem Pedunkel. Schwarze Flächen bedeckten den oberen (dorsalen) Teil des Körpers – von der Dorsalflosse an bis zur Kaudale und runter zur Analflosse.In der Kaudale gab es silberne, scharlachfarbene oder grüne Flecken. Die Dorsale war klein und gerundet, aber sie konnte plötzlich wie Rauch emporsteigen und wurde zweistöckig, hochgestellt und ausgebreitet. Standardisierung, Einfarbigkeit – alle diese Dinge kamen später auf, nachdem Wettbewerb und Ausstellungen die selektive Zucht zu diesen Zielen führte.

Obschon, der Moskauer Rundschwanz war bemerkenswert genetisch in der Hinsicht, indem er bereits alle die verschiedenen Varietäten, das gleiche einheitliche Moskauer Y-Chromosom mit seinen Merkmalen, besaß. Dieses Chromosom wird nur beim Männchen gefunden und wird allein vom Vater zum Sohn vererbt. Beim Guppy gibt es geschlechtsbestimmende Gene, plus viele Farbfleck Gene, auf dem Y-Chromosom. Variationen dieser Gene in der geschlechtsbestimmenden Region des Y-Chromosoms erscheinen nur bei seltenen Vererbungsänderungen – Mutationen. Beim Moskauer Y-Chromosom wurden bisher mindestens vier Gene entdeckt.

Das erste davon ist Maculatus. Auf der Rückenflosse bewirkt es einen runden, irregulären schwarzen Fleck auf einem Hintergrund von Silber oder Rot. Es verursacht einen scharlach (roten) Fleck am Vorderkörper, es wird jedoch bei den Moskauern durch einen ovalen Fleckder gleichen Farbe und am gleichen Ort durch das Gen Reticulatus überdeckt. Zusätzlich zu diesem Fleck verursacht Reticulatus einen längslaufenden, großen blutscharlachartigen Fleck auf dem Pedunkel.
An der Verbindungsstelle zwischen Schwanz und Pedunkel befindet sich entweder ein roter Fleck , oder eine silberne Fläche (Silber und Rot kehren sich beim Guppy leicht ineinander um). Reticulatus verursacht auch das Erscheinen eines schwarzen Fleckes (kidney beans – Kidney Bohnen) oberhalb des Gonopodiums. Das Gen Viridis bildet einen grün schimmernden Fleck über der Analflosse am Vorderkörper aus. Das Gen Filigran beendet das traditionelle Muster des Moskauers, als ob es alle diese Flecken in einem unzerstörbaren Ganzen vereinigen und sammeln würde. Es zeigt auch einen schwarz geränderten Fleck auf dem Pedunkelgebiet. Ein Rubin und ein Smaragd in einem schwarzen Rahmen – ist dies nicht eine klassische Kombination?

Und Irideszens (Perlmutt)? Und Chamäleon Schwarz? Und Grün in der Kaudale? Alle diese Attribute werden durch Gene anderer Chromosomen, hauptsächlich dem X-Chromosom, bewirkt.

In den letzten Jahrzehnten gab es genug Raum in größeren Appartements für größere Aquarien. Sie sind heute besser ausgerüstet, und beim selektiven Züchten wurde es möglich, einen neuen Moskauer Stamm zu schaffen, viel kräftiger und moderner – den Schleierschwanz Moskauer.

Der erste Schleierschwanz Guppy wurde von V. M. Maranchak gezeigt. Diesem Aquaristen gelang alles. Vasily Makarovich (Maranchak) liebte Ordnung über alles. Er erwarb Stämme und brachte sie unter ausgezeichneten Bedingungen in großen Aquarien unter, in reinem Wasser, bei konstanten Wasserwechseln und häufiger Fütterung. Mit dieser Sorgfalt und durch selektive Zucht zeigten sich bald Erfolge. Die Rundschwänze wurden größer und auch ihre Kaudalflossen änderten sich. Es gab Flossenstrahlenverlängerungen und einige wurden echte Schleierschwänze, echt nicht in Hinsicht zu modernen Triangeln, aber in der Form eines Zapfens (plug?) oder einer Lyra. Diese Guppys sorgten für eine regelrechte Furore in Moskau, aber es war nicht möglich sie reinerbig zu züchten: Vasily Makarovich gab das Guppy Hobby auf, und andere Züchter, welche von Ihm Schleierschwänze erhalten hatten, übernahmen nicht seine Haltungsmethoden. Wieder in Marmeladengläsern gezüchtet hatten sie bald wieder ihre anfängliche Kondition.

Jedoch V. M. Maranchaks Experimente waren nicht ganz vergeblich. P. N. Barto begann nach Flossenstrahlenverlängerungen zu suchen. Schon bald entwickelte er eine beständige Linie sogenannter „cocks“ (Hähne) – Männchen mit zwei oder drei Strahlenverlängerungen, wovon die oberste am längsten war. Es erschienen Männchen mit filigranem Schwanz, mit einem Saum (fringe?). Die Männchen des Partisanen D. E. Pojarkov waren zu jener Zeit am populärsten. Das Männchen hatte eine große Schwanzflosse, kombiniert mit einer großartigen Dorsale.

Während dieser Periode (1950-1952) waren die Gene für den modernen Schleierschwanz Guppy wahrscheinlich schon vorhanden, aber die Bedingungen verhinderten ihre Entwicklung. Zu dieser speziellen Zeit begann Michael Vasilevich Matasov Guppys in großen Aquarien zu züchten, jedoch ohne beständige Fütterung. Und sofort bekam er wunderbare Männchen mit Schleiern des modernen Typs und den typischen Moskauer Mustern. Vier Männchen davon bekam G. I. Kretovu, I. A. Lazarevu, V. P. Druzhininu und N. A. Vasilev.
Wir denken das dieses Jahr (1952) die Geburtsstunde des Moskauer Schleierschwanzes war.
Nun gab es in den Moskauer Aquarien viele unterschiedliche Stämme von Schleierschwanz Guppys: schwarze Männchen und Weibchen, und verschiedene Cobras. Es besteht keine Notwendigkeit, Stämme aufgrund von Schönheit zu vergleichen, das ist eine Sache des Geschmacks. Verglichen mit allen bestehenden Stämmen, ist der Moskauer Schleierschwanz der komplexeste. Der leichteste Fehler bei der selektiven Zucht führt zum Verlust von Genen. Fische entwickelten kurze Kaudalflossen, sie wurden schmalbrüstig und brachen ein. Daher wurde der Moskauer zum Probierstein, an dem der Aquarianer seine Fertigkeit perfektionieren konnte. Aber der Stamm war nicht einfach zu halten,
er war populär auf Ausstellungen und die Moskauer waren nicht sehr entgegenkommend, wie er zu züchten war.

Vom Anfang an unterlagen Moskauer Schleierschwänze großen Wechseln. Ursprünglich fein, mit schwachen engen Kaudalen, haben sie sich im Laufe der Zeit kräftig mit großen Kaudalen entwickelt.

Es ist ein Stamm mit durchschnittlicher Größe, obwohl es darunter auch Riesen gibt. Die Form der Männchen ist anmutig, sie ist ziemlich schmal, aber nicht zu dünn. Der Pedunkel ist blutrot, metallisch glänzend, mit kohlschwarzen Begrenzungen. Es gibt eine blutrote Fläche längs der Basis des Pedunkels. Der zweite ovale blutrote Fleck befindet sich vor der Dorsale. Am Bauch, nahe dem Gonopodium, befindet sich ein metallisch grüner Fleck. Ein kohlschwarzer Streifen erstreckt sich vom Auge, parallel zum Rücken und bis zu einem Drittel der Körperlänge. Ein runder schwarzer Fleck befindet sich oftmals direkt unterhalb der Dorsale. Über dem Gonopodium befindet sich ein Fleck gleicher Größe, aber in Form einer Kidney Bohne, und er ist grün gefärbt. Bei der modernen Form ist die Kaudale kohlschwarz. Oft hat er eine Gruppe silberner Punkte an der Basis. In der Vergangeheit breiteten sich diese Flecke über den ganzen Schwanz aus. Es sah wie ein silberner oder roter Teppich aus.

Die Kaudale sollte bei einem guten Männchen nicht weniger als 60° betragen. Der hintere Rand des Schwanzes kann gerändert sein, das ist eine fächerförmige Linie.
Risse und andere Defekte des abschließenden Randes gelten als schlechte Form. Eine kleine, runde Dorsale ist charakteristisch, sie ist silbern (manchmal schwarz) mit schwarzen Flecken, sie besitzt die Form einer Schärpe und hängt seitwärts herunter, gemustert bei den Männchen und farblos bei den Weibchen (Veil-Scarf-Guppy).

Das Weibchen sollte zierlich sein. Alle Flossen sollten farblos sein, nur ein schwarzer Fleck auf der Schwanzflosse wird zugestanden.

Diese Beschreibung kann für Züchter als Standard dienen. Sie wird Beginnern angeboten, um den idealen Moskauer zu verstehen, aber sie sollte den Züchter nicht davon abhalten, Varianten zu kreieren, mit neuen Flecken oder neuen Mustern.

Es ist schon merkwürdig, dass neben dem schleierförmigen Moskauer parallel ein falscher Moskauer geschaffen wurde. Auf den ersten Blick gleichen sich beide, aber man muß schon genauer hinsehen – und dann sieht man die Unterschiede. Es ist ein kräftiger Fisch mit einer großen Kaudale. Darin gleicht er dem Moskauer, aber die Y-Chromosome unterscheiden sich. Dass die Kaudale des falschen Moskauers nicht kohlen- oder aschenschwarz ist, ist offensichtlich, und diese Schwärze breitet sich auf dem Pedunkel aus und und bedeckt dort den roten Fleck. Der zweite rote Fleck ist nicht vorhanden. Es gibt keine schwarzen Ränderbegrenzungen auf dem Pedunkel. Es gibt keinen schwarzen Fleck an der Mitte des Vorderkörpers. Manchmal tauchen falsche Moskauer von großer Qualität auf, aber in den Ausstellungen gewinnen die echten Moskauer. In all den Jahren hat nur einmal ein falscher Moskauer die Siegerurkunde errungen, während der echte Moskauer 27 Auszeichnungen errang.

J. A. Levites dunkelblaue Moskauer Stämme sind dem falschen Moskauer verwandt. Dies ist ein ausgezeichneter Stamm mit sehr großen Kaudalen und dunkelblauer Farbe.

Vor kurzem hat V. P. Druzhinin bewiesen, dass die Weibchen der falschen Moskauer in Kreuzungen verwendet werden können, um Moskauer Guppys zu verbessern. Echte Moskauer Männchen verpaart mit Weibchen falscher Moskauer ergeben männlichen Nachwuchs von echten Moskauern.“

Soweit dieser bemerkennswerte Artikel über den Ursprung des Moskauers.

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Mit freundlichen Grüßen
franzpeter
zuletzt bearbeitet 31.05.2023 19:01 | nach oben springen
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